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In 80 Tagen um die Welt

Oper in zwei Akten von Jonathan Dove (*1959) für Kinder und Junggebliebene ab sieben Jahren basierend auf dem gleichnamigen Roman von Jules Verne, Libretto von Peter Lund
Auftragswerk des Opernhauses Zürich

In deutscher Sprache mit deutscher Übertitelung. Dauer 2 Std. inkl. Pause nach ca. 55 Min.

Termine & Tickets

Januar 2025

So

05

Jan
14.00

In 80 Tagen um die Welt

Oper von Jonathan Dove
Preise K: CHF 60 / 50 / 40 / 30 / 20 / 15

So

12

Jan
14.00

In 80 Tagen um die Welt

Oper von Jonathan Dove
Preise K: CHF 60 / 50 / 40 / 30 / 20 / 15

Di

14

Jan
11.00

In 80 Tagen um die Welt

Geschlossene Schulvorstellung
Keine Tickets erhältlich

Gut zu wissen

Trailer «In 80 Tagen um die Welt»

Interview


Max und das Wettrennen gegen die Zeit

Jules Vernes berühmter Roman «In 80 Tagen um die Welt» kommt ab November als Familienoper auf die Bühne des Opernhauses. Ein Gespräch mit Peter Lund, der das Libretto zu der neuen Oper geschrieben hat und sie auch selbst inszeniert.

Peter, wann bist du zum ersten Mal mit Jules Vernes In 80 Tagen um die Welt in Kontakt gekommen?
Als Jugendlicher, und zwar mit Begeisterung. Allerdings weiss ich nicht mehr, ob es das Buch war oder der Film mit Marlene Dietrich und David Niven. An den Film erinnere ich mich nicht so sehr, ausser, dass sie mit dem Ballon fliegen, was sie im Buch ja nicht tun. Ich musste den Roman auf jeden Fall noch einmal ordentlich lesen, bevor ich mich an das Libretto machte.

Was hat dich damals an diesem Stoff besonders fasziniert? Die Figuren? Die Wette, ob es möglich ist, die Welt in 80 Tagen zu umrunden, oder die Reise an sich?
Die Reise nicht unbedingt. Damals war ich noch kein weltinteressiertes Kind. Aber ich fand Phileas Fogg toll, der die Wette mit seinen Kameraden aus dem Londoner Reform-Club abschliesst. Fogg war meine Lieblingsfigur: eine Vaterfigur, die eine grosse Ruhe und Kraft ausstrahlt.

Was ging dir durch den Kopf, als dich das Opernhaus für ein Libretto von In 80 Tagen um die Welt anfragte?
Es war von Anfang an klar, dass wir irgendwie mit dem kolonialistischen Grundkern der Erzählung umgehen müssen, der Art der Erschliessung der Welt in den 1870er-Jahren. Dennoch wollte ich ganz viel vom Original transportieren, denn ich muss diese wunderbare Geschichte nicht erzählen, wenn ich sie nicht auch historisch verorte. Die Welt zu umrunden ist heutzutage mit dem Jet ja locker in 24 Stunden möglich. Ich liebe dieses Historische und bin immer wieder davon fasziniert, dass die Menschen damals genauso dumm und verliebt und böse waren wie wir heute. Und das möchte ich, gerade in unserer Zeit der Geschichtsvergessenheit, dem Publikum und besonders auch den Kindern näherbringen. Aber wir wollen auch zeigen, dass sich die Welt seither ein bisschen weitergedreht hat und dass wir heute anders miteinander umgehen müssen, als es im Buch zuweilen der Fall ist. Als ich mir dann eine moderne Rahmenhandlung und die Figuren Max und Josy dazu ausdachte, war es für mich relativ schnell klar, dass diese Geschichte auch heute spannend erzählt werden kann.

Jules Verne schildert seine Hauptfigur Phileas Fogg als einen Pünktlichkeitsfanatiker, der an der eigentlichen Reise, den fremden Ländern gar nicht so sehr interessiert ist. Ihm geht es in erster Linie um die Wette. Wer ist dieser Fogg bei dir?
Bei uns ist er ein bisschen menschlicher als im Buch, wo er als hochgradiger Neurotiker charakterisiert ist, bei dem die Stifte immer gerade liegen müssen. Wir alle kennen diese Menschen und wissen, wie sehr sie leiden und uns das Leben zur Hölle machen können. Diesen Charakterzug haben wir in unserer Fassung ein wenig aufgeweicht. Bei uns ist Fogg gewissermassen ein sekundärer «Tugend-Heini». Für eine Erziehungsperson ist das aber gar nicht so schlecht, wie ich finde. Ich habe es selber probiert mit meinen Patenkindern: Auch wenn man keine Lust hat, kann es nicht schaden, ein wenig auf Höflichkeit und Pünktlichkeit zu pochen. Und das tut Fogg. Ich sehe ihn sehr positiv. Allerdings lässt er sich nicht ins Herz blicken, was wiederum schwierig ist. Im Buch lächelt er eher selten. Es dauert eine ganze Weile, bis er Miss Aouda, die er in Indien kennenlernt, sein Eiskühltruhenherz öffnen kann. Durch die Musik wird Fogg in unserem Abend natürlich emotionaler und warmherziger. Man wird ihn mögen, und das ist ganz wichtig. Ausserdem ist er ein Sportsmann. Das ist typisch britisch und eine grosse Qualität, die heutzutage leider fast verloren gegangen ist: die Bedingungen einer Wette anzunehmen, den Gegner zu achten, eine Niederlage zu akzeptieren – nur so kann man miteinander spielen und wetten.

Ist Phileas Fogg für dich ein Held?
Vielleicht kein klassischer Held, aber definitiv ein Held. Er stellt sich nicht sonderlich in den Vordergrund, und das ist für das Theater immer ein bisschen schwierig: Fogg tut nichts, sondern managt alles. Aber es gibt bei uns genug andere Figuren, die viel auf der Bühne tun.

Im Buch widmet sich Foggs Diener Passepartout seinem Herrn fast bis zur Selbstaufgabe. Bei dir bekommt diese Figur eine ganz neue Grundierung: Wir gehen mit Max durchs Stück, der plötzlich in das Buch von Jules Verne fällt und die Rolle von Passepartout übernehmen muss.
Ja, und er muss in diese Rolle erst einmal hineinwachsen. Unser Max ist ein fantasievoller, sympathischer Knabe. Er liest gerne und ist damit ein schöner Sonderfall. Gleichzeitig übernimmt er für nichts in seinem Leben die Konsequenzen und geht mit Josy nicht zur Klimademo. Max schliesst sich der Demo aber nur deshalb nicht an, weil er lesen will, und nicht, weil er politisch anderer Meinung wäre. Er ist ganz einfach eine faule, kleine Kartoffel. In unserer Geschichte ist es Josy, die ihn als dezente Erziehungsberechtigte durch alle grossen Aufgaben führt. Und Max wächst daran. Wir merken schnell, dass er begeisterungsfähig ist und all diese Länder faszinierend findet. Er will seine Aufgabe gut erfüllen. Am Ende ist er wirklich ein anderer geworden.

Der Roman ist ein Rennen gegen die Zeit. Man fiebert mit, ob es Fogg und sein Diener Passepartout schaffen, die Wette rechtzeitig einzulösen. Es geht also auch ums Zuspätkommen, darum, ein Schiff abfahren zu sehen, um Pannen und Hindernisse, die den Protagonisten in den Weg gelegt werden. Das sind im Grunde klassische Elemente eines Albtraums...
Ja, und das Albtraumhafte ist bei uns sogar noch gesteigert, weil Max in dieses Buch gehext worden ist. Es ist nicht seine Welt. Es ist wie ein Zauberfluch, dass Max diese Reise zu Ende bringen muss, um am Schluss wieder durch den dicken Buchdeckel herauszufinden. Dafür hält sich Max eigentlich sehr bewundernswert.

Die Probleme werden überwunden, und daran wächst man ja auch.
Das ist etwas, was ein Kind viel selbstverständlicher hinnimmt als ein Erwachsener. Für Kinder ist doch immer alles neu: die Musikschule, der Sportverein oder die Schule. Als Erwachsener erlebt man das mit der Universität und mit dem Berufsanfang vielleicht noch zweimal in seinem Leben. Und selbst da haben wir uns bereits eine gewisse Routine angeeignet. Doch Kinder bewegen sich andauernd durch diesen Albtraum von Welt. Max erschreckt sich zunächst fürchterlich, wenn er in die Geschichte hineingesogen wird, danach aber findet er es ganz toll. Und genau so funktionieren Kinder: Zum ersten Mal in den Kindergarten zu gehen, ist eine grosse Sache, doch schon bald haben sie sich daran gewöhnt. Es ist eine grosse menschliche Qualität, dass wir das können. Max lernt, dass man bei dieser Welterkundung keine Angst haben muss.

Jules Vernes Buch ist eine Männergeschichte. Die einzig weibliche Figur, die darin vorkommt, ist Miss Aouda. Fogg und Passepartout retten sie vor dem Flammentod und nehmen sie anschliessend mit auf ihre Reise. Aber sie ist eher ein Geschenk, ein Opfer, ein Objekt. Hast du mit Josy hier absichtlich ein Gegengewicht geschaffen?
Definitiv. Ich komme ja ursprünglich von der Operette, und das ist die Plattform für die starke, selbstbewusste Frau, die sich nimmt, was sie will oder den Männern sogar Angst macht. Miss Aouda ist im Buch aber auch erstaunlich selbstbewusst. Sie ist zwar still und sagt nicht viel, doch sie übernimmt am Schluss die emotionale Situation. So sind diese perfekten Frauen: Im Grunde klüger als der Mann und dezent und charmant regelnd im Hintergrund, damit es keiner merkt. Und Aouda ist so eine kluge Frau und sehr gebildet. Unsere Miss Aouda exponiert sich noch mehr und hat vor allem mehr Humor. Auch Josy hat Humor, und sie ist vielleicht noch ein bisschen bissiger. Auf jeden Fall sind das zwei starke Frauen, die sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Eigentlich ist es doch sehr erstaunlich, dass Aouda diesen chauvinistischen Fogg überhaupt erträgt. Doch Fogg ist im Buch, und auch das muss man betonen, nie diffamierend: Er redet nicht schlecht über andere Völker oder Frauen. Und es ist seiner historischen Perspektive geschuldet, wenn er sich anmasst, zu sagen, eine Frau dürfe man nur retten, wenn man sie auch ernähren könne. Im Grunde denken heute doch noch immer alle Männer so. Wir wissen alle, wie schlecht es Männern geht, wenn sie weniger als ihre Frauen verdienen.

Der Roman von Jules Verne ist für Erwachsene oder Jugendliche geschrieben. Was macht dein Stück zu einem Stück für Kinder?
Wir haben mit Max eine starke Identifikationsfigur für die Kinder. Eine urkomische Figur ist ausserdem der schurkische Detektiv Fix, der Max und Fogg um den ganzen Globus verfolgt, weil er denkt, dass Fogg ein Bankräuber ist. Fix muss sich immer wieder neu verkleiden, um inkognito zu bleiben und darf bei uns richtig Quatsch machen. Fogg wiederum ist unfreiwillig komisch. Das sind die Pole.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Jonathan Dove? Ich habe das Gefühl, dass ihr euch besonders in eurem Humor getroffen habt.
Das stimmt. Wir kennen uns ja noch nicht so lange, aber während unserer Arbeit, die wir mitten in Corona angefangen haben und grösstenteils über Zoom geführt haben, sind wir richtige Freunde geworden. Wir sind beide schon in einem gesetzteren Alter und da ist es nicht so selbstverständlich, dass man sich so findet. Es war pures Glück und eine Arbeit, die wirklich Hand in Hand ging. Jonathans Gespür für den Aufbau eines Stücks ist phänomenal. Da ist selten ein Takt zu viel, alles funktioniert. 

Du bist nicht nur der Librettist dieser Oper, sondern machst auch die Regie. Wie kommt man einmal um die Welt auf einer Opernbühne?
Mit vielen Bühnenbildern und vielen Umbauten. Die Personen bleiben, aber die Welt ändert sich. Dafür ist natürlich die Guckkastenbühne des Barocks wie geschaffen und wurde ja auch dafür erfunden. Wir arbeiten zusätzlich mit animierten Projektionen, aber nicht im Sinne von Bebilderung, sondern als Fortsetzung unserer Welt auf der Bühne. Aber eine herkömmliche Revue im Sinne von «ein anderes Land – ein anderes Bild» wird es nicht werden...

Du hast eine sehr prägnante Ästhetik für deine Inszenierung gewählt.
Max fällt ja in den Roman von Jules Verne. Und da haben wir gedacht, wir könnten die ganze Welt nur mit dem Buch erzählen, mit Papier, mit einzelnen Buchstaben, mit Seiten und Zeitungen von damals. Das beschränkt einen so wunderbar und regt die Fantasie an. Gerade bei Kindern finde ich es toll, wenn sie ein bisschen nachdenken müssen und plötzlich erkennen: Ah, das muss eine Pyramide sein! Viele Elemente des Bühnenbilds werden so aussehen, als seien sie aus Papier gefaltet. Unsere digital gewöhnten Kinder sollen dabei ruhig mitkriegen, dass man diese Dinge wirklich von Hand falten muss und nicht alles per Knopfdruck geschieht.

Bei Jules Verne herrschte noch dieser Fortschrittsglaube an die Technik. Heute bekommt man beim Thema Reisen gleich ein schlechtes Gewissen, man denkt an den Umweltfaktor, an Flugscham. Wie du bereits erwähnt hast, versucht Josy in deiner Version Max dazu zu bringen, an einer Klimademonstration teilzunehmen...
Zu Jules Vernes Zeiten konnte man ja noch nicht ahnen, dass das alles einmal in einer riesigen Klimakatastrophe enden würde. Mit Josy und Fogg thematisieren wir auch diesen Generationskonflikt, den wir gerade in unserer Gesellschaft sehen. Vom Alter her bin ich eher auf Foggs Seite, emotional aber näher bei Josy. Ich gehöre einer Generation an, die noch ohne Schuldgefühl fliegen konnte und viel von der Welt sehen durfte. Meine Neffen, die jetzt 18 Jahre alt sind und gerne auf Reisen gehen wollen, stellen sich natürlich die Frage: Fliegen oder nicht Fliegen? Dazu muss es für sie einen gewichtigen Grund geben. Ausserdem ist die Hälfte der Welt wegen Kriege, politischer Unruhen oder weil es sonst zu gefährlich ist, gerade sehr unerreichbar. Das ist schrecklich für die heutige Jugend. Ich durfte vor 30 Jahren noch eine ganz andere Welt erleben, in der gerade die Visakarte erfunden wurde und wo man überall willkommen war. Alles war so leicht.

Dennoch konnte man kürzlich in der Zeitung lesen, dass zwei 81-jährige beste Freundinnen aus Amerika die Welt in 80 Tagen umrundet haben. Sie waren mit dem Ballon unterwegs, mit dem Schiff, sogar auf einem Husky Schlitten und gaben für Übernachtungen im Hotel nie mehr als 29 Euro aus… Allerdings nahmen sie ab und zu das Flugzeug. Wäre das für dich eine Option?
Ich bin tatsächlich einmal mit der transsibirischen Eisenbahn von Moskau bis Sibirien gereist. Das ist immerhin in drei Wochen ein Drittel der Welt! Es war die mit Abstand beeindruckendste Reise, die ich je gemacht habe und eine unglaubliche Erfahrung, diese Meter wirklich zu fahren und zu spüren. Meinen Neffen würde ich allerdings eine Jahresweltreise in aller Ruhe und ohne Flieger vorschlagen – vielleicht eine Wanderreise, wie sie noch heute die Gesellen tun. Denn Reisen bildet. Ich hoffe sehr, dass meine Neffen das erleben dürfen.

Das Gespräch führte Kathrin Brunner
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 116, Oktober 2024.
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Hintergrund


Jeder Zug hat seinen eigenen Rhytmus

Der britische Komponist Jonathan Dove schreibt gerne Opern für junge Menschen und ist sehr erfolgreich damit. In Zürich wird nun seine Oper «In 80 Tagen um die Welt» uraufgeführt. Ein Porträt von Kathrin Brunner

Mit gespitzten Ohren und wachem Blick sitzt Jonathan Dove im Chorsaal des Opernhauses Zürich. Gerade haben sich dort die Solistinnen und Solisten der Zürcher Produktion von In 80 Tagen um die Welt versammelt, um zum ersten Mal gemeinsam mit Klavierbegleitung durch das Stück zu gehen. Ein Hauch von Goldgräberstimmung weht durch den nüchternen Chorsaal. Dove, der im weissen T-Shirt vor einem Tablet mit den Noten sitzt, scheint sich wie ein kleiner Junge über seine Komposition zu freuen. Kaum zu glauben, dass der britische Komponist schon 65 Jahre alt ist. Doch Dove kann bereits auf ein umfangreiches Werkregister zurückblicken. Fast 70 Werke schrieb er für Chor, 25 für Kammermusik und nochmals so viele Orchesterwerke. Allein 37 Werke entstanden für die Bühne, darunter die Flughafenoper Flight über die authentische Geschichte eines Iraners, der 17 Jahre auf dem Flughafen Charles de Gaulle lebte, oder die Komödie Marx in London über den berühmten Philosophen und dessen chaotisches Privatleben. Dove gehört zu den meistgespielten lebenden Komponisten.

Das Zürcher Publikum lernte seine Musik bereits 2015 bei seiner Kinderoper Das verzauberte Schwein lieben, deren schmissig-freche Rhythmen, poetischen Akkordeonklänge oder melancholischen Posaunentöne, ebenso wie die originelle Geschichte über die Prinzessinnen Mab, Dot und Flora, die verbotenerweise das Buch des Schicksals öffnen. Die deutsche Übersetzung des zuvor auf Englisch uraufgeführten Kindermusicals übernahm Peter Lund für Zürich. Er ist es auch, der jetzt für Dove das Libretto von Jules Vernes Roman eingerichtet hat. Zum ersten Mal vertont Dove von Anfang an einen deutschen Text. «Ich hatte Respekt davor», erzählt er. «Aber ich fand es wichtig, auf Deutsch zu komponieren. Der Gesang soll klar und direkt sein. Hätte ich auf Englisch komponiert und es anschliessend übersetzen lassen, könnten die Sänger nicht so unmittelbar mit dem Publikum kommunizieren.» Auf den Midi-Files, die Dove am Klavier für die Sängerinnen und Sänger zur Vorbereitung eingespielt hat, singt er im hohen Tenor sämtliche Partien gleich selbst, und zwar auf Deutsch: mit Inbrunst und charmantem englischen Akzent. Zuweilen imitiert er sogar tutend ein Schiffshorn.

«Die Geschichte von Jules Verne ist ein grosses Abenteuer, aber man muss sie heutig erzählen. Sie lässt den britischen Imperialismus hochleben, der damals auf dem Höhepunkt war. Peters Idee, dass ein moderner Teenager das Buch liest und hilflos in diese Geschichte hineingezogen wird, ist ein wunderbarer Twist. Und doch ist unsere Version keine Schulstunde, ganz und gar nicht didaktisch.» Das Buch feiert auch den technischen Fortschritt. Dass es nur zur Entstehungszeit des Romans möglich war, exakt diese Reise durchzuführen, fasziniert Dove. So wurde der Suez-Kanal gerade fertiggestellt, die Briten hatten damit begonnen, ein durchgehendes Eisenbahnnetz in Indien aufzubauen, und in den USA wurde die transkontinentale Bahnverbindung vorangetrieben. Schnelle Dampfschiffe ersetzten die wetterabhängigen Segelschiffe und machten die gefährlichen Seereisen kürzer und sicherer. Zuvor war eine Reise um die Erde in 80 Tagen nahezu möglich.

Dove prüfte für Zürich auch andere Romane von Jules Verne, etwa Die Reise zum Mittelpunkt der Erde, oder 20.000 Meilen unter dem Meer. Seine musikalische Fantasie habe sich aber an den verschiedenen Ländern von In 80 Tagen entzündet. «Wie klingt Ägypten, wie Indien? Was ist der Sound von Amerika oder Hongkong?» Zumindest der indische Sound ist Dove wohlvertraut: An der Universität studierte er klassische nordindische Musik und verbrachte einige Zeit in Indien, wo er mit vielen Musikern zusammenarbeitete. Gleichwohl werden im Zürcher Orchester keine originalen indischen Instrumente wie Sitar oder Tabla zu hören sein. Dove schreibt für ein klassisches Kammerorchester, denn so hatte es das Opernhaus bei ihm in Auftrag gegeben. Ganz besonders reizte es Dove, die in der Geschichte verwendeten Transportmittel in Musik zu übersetzen. «Jeder Zug hat seinen eigenen Rhythmus, der amerikanische einen ganz anderen als der britische Zug. In einer Kutsche mit Pferden zu sein fühlt sich rhythmisch völlig anders an, als auf einem Elefanten sitzend quer durch Indien zu reisen. Das Gleiche gilt für die verschiedenen Boote oder Meeresdampfer, die Fogg und Passepartout in der Geschichte benutzen.»

Dove verfasste bereits mehrere Familienopern. Was motiviert ihn, für Kinder zu schreiben? Hat er eine Mission? «Zuallererst möchte ich mir selbst einen schönen Abend gönnen – damit wenigstens eine Person eine gute Zeit hat», sagt Dove mit einem Lächeln. «Die Idee zu meiner Familienoper Die Abenteuer des Pinocchio entstand, weil ich selbst diesen Titel auf der Bühne sehen wollte.» Es ist das Peter-Pan-Phänomen: Im Prinzip sei er immer ein kleines Kind geblieben, meint Dove. Andere Erwachsene müssten das Kind in sich suchen, er den Erwachsenen. Aber das Missionarische sei gleichwohl bei ihm vorhanden. «Wäre es nicht schön, wenn die Leute in unser Stück kommen, weil es eine bekannte Geschichte ist? Für viele Kinder – und möglicherweise ihre Eltern – wird es die erste Oper sein, die sie je gesehen haben. Wenn sie das Haus mit dem Gedanken verliessen, dass Oper Spass machen und aufregend sein kann, wäre das fantastisch. Ansonsten finden sie vielleicht nie heraus, dass Oper etwas Wertvolles ist, ein Ort der Schönheit, des Staunens und der Verzauberung.» Für Dove stellt das Musiktheater eine besondere Art von immersiver Erfahrung dar. «Geschichten werden durch Klänge und Rhythmen erzählt, die das ganze Publikum einbeziehen und ohne elektronische Unterstützung entstehen. Man ist mit jemandem im Raum, der einen Klang von enormer Kraft und Reichweite erzeugen kann. Niemals könnten untrainierte Stimmen so hoch und so laut singen.»

Ganz in der Tradition von Benjamin Britten engagiert sich Dove mit seinen Community-Opern, die Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, Bildung und Altersstufen zusammenbringen, für Kulturarbeit auf lokaler Ebene. 350 Beteiligte wirkten etwa bei The Palace in the Sky mit, nächstes Jahr bringt das Glyndebourne Festival seine Oper Uprising über den Klimanotstand heraus, an der gemeinsam mit professionellen Musizierenden mehr als 100 lokale Laien mitwirken werden. Ein ähnliches Projekt war auch The Monster in the Maze über den Helden Theseus, der das menschenfressende Monster Minotaurus auf Kreta besiegt. Das Werk wurde von Simon Rattle, den Berliner Philharmonikern, dem Festival in Aix-en-Provence und dem London Symphony Orchestra in Auftrag gegeben. Bei The Hackney Chronicles bezog Dove die Kinder sogar aktiv in den Prozess des Komponierens mit ein.

Jonathan Doves Eltern waren zwar keine Musiker, sondern Architekten – sein Bruder, seine Schwester und sein Schwager sind es heute ebenfalls –, doch Musik spielte gleichwohl eine grosse Rolle in Doves Elternhaus. Zu einem seiner prägendsten Kindheitserlebnissen gehörte das Klavierspiel seiner Mutter vor dem Einschlafen. Als Kind habe er versucht, diese Stücke am nächsten Tag aus dem Kopf auf dem Klavier nachzuspielen, so Dove. Manchmal habe er ein Kinderbuch wie den Hobbit auf dem Pult des Klaviers aufgeschlagen und dazu parallel am Klavier improvisiert. Durch eine Cousine, die Inspizientin in einem Londoner Theater in Greenwich London war, entdeckte er dann seine Liebe zum Theater. «Von ihr bekamen wir manchmal Requisiten aus abgespielten Produktionen als Weihnachtsgeschenk, einmal sogar eine Hängematte. In mir war immer diese tiefe Verbundenheit mit dem Theater, es war mein Zuhause.» Auch zum Gesang fand er über seine Mutter, die in einem Kirchenchor sang. Später kamen die Orgel, die Geige und Bratsche dazu, Dove spielte im Jugendorchester. Schon früh habe er ausserdem begonnen, Bühnenbildmodelle zu bauen. Perfekte Voraussetzungen also, um später für das Gesamtkunstwerk Oper zu schreiben. Seinem Musiktheater spürt man dieses innere Auge für die Bühne an, das Gefühl für spannungsvolle Bewegungsabläufe, das perfekte Timing für humorvolle Situationen. Dove, dessen Musik man als lingua franca bezeichnen kann und die von allen verstanden werden soll, zählt zu seinen Vorbildern denn auch Britten («für das Geschichtenerzählen»), Strawinsky («für die Harmonie»), Rossini, Mozart und Verdi («für die Komödie»).

Nachdem im Chorsaal die Schlusstakte von In 80 Tagen um die Welt erklungen sind, schauen fragende Blicke zu Dove. Welche Wünsche hat er? Was soll anders interpretiert werden? Er freue sich auf die Aufführung, lächelt Dove. Und macht eine lange Pause. Also keine weiteren Wünsche? Nein. Nur eine Stelle soll ganz frei genommen werden, auch wenn da Taktstriche stehen. Und dann geht die Probe doch noch weiter. Dove singt der Solistin der Miss Aouda vor, wie er sich indisch klingende Portamenti vorstellt. Vieles will er expressiver. Alles andere werde sich ergeben, wenn die Bühne dazukomme – sagt es, und legt sein Werk wieder in die Hände der Solistinnen und Solisten. Die Zeit drängt. Wie Phileas Fogg muss er jetzt an eine pünktliche Abreise denken. Für die Proben mit Orchester wird er im November wie verabredet zurück in Zürich sein.

Dieser Artikel ist erschienen in MAG 116, Oktober 2024.
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Fotogalerie

 

Ich sage es mal so

Stumme Antworten auf grundsätzliche Fragen – mit Felix Gygli, der den Phileas Fogg in Jonathan Doves Familienoper «In 80 Tagen um die Welt» singt

Backstage


Wir haben einen Plan

Von London zu den Pyramiden von Ägypten, mit dem Elefant quer durch Indien, mit dem Schiff nach Hongkong und anschliessend nach Amerika: Eine Weltumrundung in 80 Tagen – was Phileas Fogg gemeinsam mit seinem Reisegefährten Passepartout im berühmten Buch von Jules Verne gelingt, schafft auch unsere Bühnenmannschaft. Und das sogar in nur zwei Stunden!

Zumindest hoffen wir das: Die Umbauten werden sportlich sein… Für die neue Familienoper In 80 Tagen um die Welt mit Musik von Jonathan Dove hat sich die Bühnenbildnerin Ulrike Reinhard nämlich Spektakuläres ausgedacht. Sage und schreibe 32 verschiedene Bühnenbilder werden in schnellem Wechsel zu sehen sein. Die Idee der Bühnenbildnerin ist es, dass Schiffe, Kutschen, Pyramiden, Elefanten, Kakteen und Meereswellen so aussehen, als ob sie aus einer Zeitung gefaltet wären. Auf der Bühne ist natürlich kein richtiges Zeitungspapier zu sehen, und die Bühnenbilder sind auch nicht gefaltet. Dass es trotzdem so wirkt, dafür haben sich die Bühnenbildnerin und die technische Produktionsleiterin Susan Klimmer so einiges ausgedacht. Aber sehen Sie selbst …

Dieser Artikel ist erschienen in MAG 115, Oktober 2024.
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Fragebogen


Christopher Willoughby

Christopher Willoughby ist seit letzter Spielzeit Mitglied des Internationalen Opernstudios am Opernhaus Zürich. Er studierte in London und war 2022 Finalist bei der Marilyn Horne Song Competition. In Zürich wird er ausserdem in Mozarts «Figaro», in «Lohengrin» und «Salome« zu hören sein.

Worauf freust du dich am meisten bei der neuen Produktion von In 80 Tagen um die Welt?
Auf die Kinder und ihre Leidenschaft. Ich durfte bereits in der letzten Spielzeit in einer Kinderoper singen und erleben, welch grosse Wirkung gutes Theater auf ein Publikum haben kann. Es ist ein Privileg, dass ich den Kindern die unglaubliche Welt der Oper näherbringen darf. Ich persönlich freue mich auch auf meine erste Flugerfahrung auf der Bühne!

Würdest du die Reise, die Max unternimmt, auch im echten Leben machen wollen?
Ich würde sicherlich gerne den grössten Teil der Welt erleben wollen, und Max’ Reise ist zweifellos aufregend und voll von neuen Erfahrungen. Aber die Gefahr und die Ungewissheit würden fast jeden abschrecken!

Max liebt es zu lesen. Welches Buch würdest du niemals weggeben?
Es gab so viele wichtige Bücher in meinem Leben, die mich als Kind etwas von der Spannung erleben liessen, die Max in dieser Produktion findet. In letzter Zeit habe ich Das Lied des Achilles von Madeline Miller gerne gelesen: Ein Buch voller Abenteuer, das gleichzeitig die Notwendigkeit von Kameradschaft erforscht, um gegen Widrigkeiten aller Arten zu triumphieren.

Wie klingt Jonathan Doves Musik?
Diese Oper ist fesselnd und dramatisch und dennoch für jedes Publikum zugänglich, ganz egal, ob es sich um die erste oder die hundertste Opernerfahrung handelt. Ich habe dieses Werk gerne gelernt und mag es sehr, wie sich die Persönlichkeit von Max in der Musik widerspiegelt.

Welche CD hörst du immer wieder?
Es ist schwierig, sich auf eine einzige zu beschränken, also muss ich zwei nennen Mein liebstes zeitgenössisches Album ist ein Live-Album von George Benson aus Ronnie Scott’s Jazz Club in London, mit dem Titel Live aus London. Für ein klassisches Album würde ich Amici e Rivali von Laurence Brownlee und Michael Spyres wählen, das ist ein musikalisches Feuerwerk!

Welchen überflüssigen Gegenstand in deiner Wohnung liebst du am meisten?
Ich besitze seit kurzem eine Espressomaschine. Wenn ich als Sänger auf Reisen bin, suche ich in jeder Stadt guten Kaffee. Aber nichts ist schöner, als nach Hause zu kommen und den eigenen Kaffee zu trinken. Das erinnert mich daran, dass ich endlich zu Hause bin!

Welche Bildungserfahrung hat dich am meisten geprägt?
Ich begann meine musikalische Laufbahn als Chorsänger an der Westminster Abbey und studierte an der Chorschule. Diese Erfahrung hat mich zu dem Musiker gemacht, der ich heute bin. Und nie werde ich meinen Auftritt als Zwölfjähriger beim ersten Abend der BBC Proms vor 5.500 Menschen vergessen, das machte mich süchtig!

Mit welchem Künstler, welcher Künstlerin würdest du gerne einmal zu Abend essen?
Ich hatte das Glück, am Opernhaus Zürich einige meiner liebsten zeitgenössischen Opernsänger zu treffen und mit ihnen zu arbeiten. Wenn ich eine Person aus der Vergangenheit wählen könnte: Maria Callas, und mit ihr über ihre Figuren, die sie auf der Bühne darstellte, sprechen.

Dieser Artikel ist erschienen in MAG 116, Oktober 2024.
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Synopsis

In 80 Tagen um die Welt

Synopsis

In 80 Tagen um die Welt