Il turco in Italia
Dramma buffo in zwei Akten von Gioachino Rossini (1792-1868)
Libretto von Felice Romani
In italienischer Sprache mit deutscher und englischer Übertitelung. Dauer 2 Std. 50 Min. inkl. Pause nach dem 1. Teil nach ca. 1 Std. 25 Min. Werkeinführung jeweils 45 Min. vor Vorstellungsbeginn.
Gut zu wissen
Gespräch
Den Wahnsinn auf die Spitze treiben
In Rossinis «Il turco in Italia» prallen in der Komödienform des frühen 19. Jahrhunderts unterschiedliche Kulturen aufeinander. Ein Thema, das wie gemacht scheint für die Migrationsfragen unserer Tage. Aber wie bringt man sie zeitgemäss auf eine Opernbühne? Ein Gespräch im April 2019 mit dem Regisseur Jan Philipp Gloger.
Dieser Artikel erschien im April 2019.
Worin besteht für dich der Spass, eine Rossini-Oper zu inszenieren?
Rossinis Musik öffnet mit ihrer speziellen Mechanik viel Freiraum für Regie, denn es gibt da ja nicht immer eine auskomponierte lineare Psychologie, sondern oft legt sich Schicht auf Schicht. Il turco in Italia ist nicht meine erste Regieerfahrung mit Rossini, ich habe zuvor auch schon Il barbiere in Essen gemacht und hier in Zürich in den Proben sofort wieder gemerkt: Man muss mit dieser Musik etwas anstellen, sie schreit nach Regie. Wenn ihre Lebendigkeit keine Resonanz im szenischen Geschehen findet, ergraut sie.
Fällt dir denn als Regisseur zu den quirligen Handlungen sofort etwas ein?
Ich finde, dass sich Rossinis Buffa-Opern unheimlich gut mit unserer Zeit verbinden. Man hat es mit Figuren zu tun, die sich in dauerhaften Überforderungszuständen befinden. Ich sehe da viele Parallelen zu unserem heutigen Lebensgefühl: Wir sind bei hohem Lebenstempo ständig herausgefordert, auf irgendetwas zu reagieren. Wir sollen in einer medial dominierten Welt andauernd auseinander halten, ob es Spiel oder Realität, Fake-News oder Wahrheit ist, was man uns präsentiert, in der Politik, im Fernsehen, in unseren Beziehungen. Andauernd sollen wir entscheiden und handeln, und unsere Gefühle kommen dabei oft gar nicht mehr mit. In dieser Hinsicht korrespondieren diese Komödien stark mit unserer Jetztzeit.
Das Turco-Personal versammelt in deiner Inszenierung also keine historischen Figuren des frühen 19. Jahrhunderts?
Nein. Wir wollen heutige Menschen zeigen und dem Publikum so die Möglichkeit eröffnen, sich zu identifizieren. Der Zuschauer muss mitgehen können bei Rossini, das finde ich wichtig. Er lacht dann – und das ist das produktivste Lachen im Theater – im besten Fall als einer, der sich in der selbstentblössenden Komik der Figuren oben auf der Bühne wiedererkennt und sich sozusagen selbst erwischt.
Kann man denn die Figuren trotz ihrer Schablonenhaftigkeit ernst nehmen?
Das muss man unbedingt! Es lohnt sich vor allem die Situationen ernst zu nehmen, in die sie geraten. Ich versuche Theater immer über die Situationen zu greifen und nicht über die Befindlichkeiten der Charaktere. Mir ist wichtig: In welche Lage kommt ein Mensch, und wie handelt er? So arbeite ich im Sprechtheater, und das funktioniert für mich auch bei Rossini gut.
Welchen grundsätzlichen Rahmen hast du für die Situationen gewählt?
Wir verorten die Inszenierung sehr konkret in einer realen, heutigen Welt. In dieser Welt kommen die Türken nicht mehr von ausserhalb mit dem Schiff an, sondern leben mitten in unserer modernen Gesellschaft. Das Bühnenbild von Ben Baur zeigt ein Mietshaus, in dem identisch möblierte Appartements vermietet werden, und in eines zieht der junge attraktive Türke Selim ein und löst grossen Wirbel aus. Die Zigeuner, die im Libretto auftauchen, sind bei uns eine türkische Grossfamilie. Das Thema, das hinter dieser Konstellation steht, ist ja klar: Es geht um das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen, um einen clash of cultures. Wenn eine Oper Ein Türke in Italien heisst, möchte man sich ja die Chance nicht entgehen lassen, mit dieser Oper auf die grossen Themen zu zielen, die uns im Moment stark beschäftigen – die Konfrontation unterschiedlicher Kulturen, Parallelgesellschaften, Integration, Ausländerfeindlichkeit.
Gibt das der Rossini-Stoff her?
Man muss sich das Libretto genau anschauen und Übersetzungen finden, indem man beispielsweise mit einem Doppelsinn arbeitet, der das Libretto mit den Erfindungen der Inszenierung in Einklang bringt. Mit solchen Doppelbödigkeiten spielt ja Rossini auch. In Il turco wird einerseits eine Dreiecksgeschichte verhandelt und andererseits das Anderssein der Türken. Die Oper verschränkt das Liebesbegehren mit der Differenz der Kulturen und verstrickt die Figuren darin. Es gibt Projektionen, Missverständnisse, Verwirrung. Und enttäuschte Gefühle werden für eine in der Luft liegende Ausländerfeindlichkeit instrumentalisiert.
Rossinis Oper behandelt das Ausländerthema im Bewusstsein des frühen 19. Jahrhunderts. Wir reflektieren heute ganz anders und viel differenzierter über Türken und Ausländer. Schafft man es, sich von den Stereotypen der Rossinizeit zu lösen, die heute überhaupt nicht mehr zeitgemäss sind?
Wir müssen natürlich die Augen offen haben, was wir da erzählen, mit welchen Klischees wir es zu tun haben und mit welchen Zeichen wir in unserer Inszenierung arbeiten. Aber es muss auch erlaubt sein, die Zuschreibungen und Klischees zu zeigen und mit ihnen zu spielen. Wie gesagt: Rossini selbst spielt mit den Klischees. Nicht der Komponist echauffiert sich über Ausländer, sondern die Figuren. Wenn Fiorilla bei der ersten Begegnung mit Selim sagt: Du hast doch bestimmt hundert Frauen in der Türkei, dann kann ich das sehr gut als eine Klischeevorstellung zeigen, die sich im Kopf der Figur festgesetzt hat. Es ist eine Projektion, und von denen gibt es ganz viele im Stück. Zum Beispiel die Gefährlichkeit der Ausländer: Fiorillas Ehemann Geronio kriegt Angst, wenn er plötzlich seinem Nebenbuhler, dem Türken Selim, gegenübersteht. Zeigen wir Selim da mit einem Krummdolch oder einem Klappmesser in der Hand, bestätigt unsere Inszenierung das Ressentiment. Aber Geronio hat Angst, weil er Opfer seiner Vorurteile ist, er projiziert eine Gefährlichkeit auf Selim, die der gar nicht hat. Das ist ja etwas, das wir auch heute sehr gut kennen. Ich nehme mich da gar nicht aus. Ich sass mal in Berlin mit einem Taxifahrer im Auto, der diesen typischen muslimischen Bart und eine Gebetskappe aufhatte. Die Terroristenfotos im Kopf, kroch in mir für einen kurzen Moment das mulmige Gefühl hoch, dass der Mann gefährlich sein könnte. Das war natürlich vollkommener Unsinn. Wir haben uns dann sehr nett unterhalten. Aber solche Projektionen spielen bei der Begegnung unterschiedlicher Kulturen immer eine Rolle, und sie sind sehr theatral: Was sieht die Figur im Anderen? Ich sehe bei Rossini oft ein Augenzwinkern gegenüber dem, was die «Italiener», also die westlichen Europäer, in das «Türkische» projizieren.
Auch das Frauenbild, das in Il turco gezeichnet wird, entspricht, vorsichtig formuliert, nicht gerade dem Stand unserer Zeit. In Fiorilla offenbart sich das Bild von der «kapriziösen» jungen Frau, die ihrem Wesen nach nicht treu sein kann, und die es ständig zu amourösen Abenteuern drängt, weil sie mit einem viel älteren Mann verheiratet ist, der das junge Ding einfach nicht in den Griff kriegt. Das ist ein ziemlich übles Klischee. Wie gehst du damit um?
Wir wollten das natürlich nicht einfach unreflektiert wiederholen und das Publikum womöglich noch animieren, über das moralisch fragwürdige Wesen der Frauen frivol und wissend zu lächeln. Das wäre ja furchtbar. Fiorilla singt in ihrer Auftrittsarie: «Es ist eine Dummheit, nur einen einzigen Mann zu lieben.» Was ist denn, wenn dieses Credo nur eine schöne Vorstellung ist, die von aussen an sie herangetragen wurde, wie unsere moderne Medienwelt uns ja andauernd Vorschläge zur Selbstoptimierung und zum Glücklicherwerden macht? Dann könnte das Bild von der jungen Frau, die sich nach vielen Liebhabern sehnt, eine Selbst-Konstruktion sein, die Fiorilla aus einem tristen Ehe- und Familienalltag heraus entwickelt. Sie ist den Umständen geschuldet, in denen sie sich befindet, und die versuchen wir deutlich zu zeigen. Sie performt die Verführerische mit den Verhaltensmustern, die sie sich in den Medien abgeguckt hat. Dadurch entsteht eine Komik, aber auch eine Mehrdimensionalität in der Figur. Man versteht dann viel besser, warum sie auf den attraktiven jungen Türken zugeht, der nebenan neu eingezogen ist, und an ihm ihr neues Selbstbild einmal ausprobieren will.
Geben Rossinis Figurenentwürfe so viel Raffinement her?
Selbstverständlich. Gerade Fiorillla ist eine sehr ergiebige Figur, weil sie ständig im Konflikt ist zwischen ihren Sehnsüchten und ihrer Realität. Sie gerät in Konfliktlagen, die wir alle sehr gut kennen. Ist das mit Selim nur Abenteuer oder wird daraus etwas Ernstes? Was bedeutet es, wenn mein Verliebt sein ein schon länger verbundenes Paar auseinanderbringt, nämlich Selim und Zaida? Und dann die bittere Erkenntnis am Ende, dass sie in einer materiellen Abhängigkeit zu ihrem Ehemann steht, der sie nicht entfliehen kann. Das sind doch alles hochinteressante Themen.
Das Uneigentliche in unserer modernen Welt, das du als wichtigen Aspekt ins Feld führst, spiegelt sich ja heutzutage in den sozialen Netzwerken, in Castingshows usw. Findet diese Ebene der manipulativen Medien auch eine Entsprechung in deinem Inszenierungskonzept?
Ja, denn es gibt in der Oper eine Figur, die diese Metaebene repräsentiert. Das ist Prosdocimo. Rossini hat die Figur eines Dichters in das Stück eingeführt, der ein komisches Drama schreiben will und in der Handlung der gerade gespielten Oper nach einer perfekten Vorlage für seine Komödie sucht. Dieser Dichter ist eine halb ausserhalb des Dramas stehende und halb integrierte Figur. Er ist Beobachter, Kommentator, Antreiber des Geschehens. Er greift in die Handlung ein und versucht die Verwicklungen auf die Spitze zu treiben, damit er seine fünf Akte zusammenkriegt. Das ist für die Zeit Rossinis eine originelle Idee. In vielen Produktion sieht man ihn als eine Art Spielmacher oder gar als Rossini selbst mit dem in den vergangenen zwanzig Jahren doch sehr oft bemühten Überschreiten der unsichtbaren vierten Wand. Ich fand es interessanter, in Prosdocimo einen zu sehen, der die privatesten Dinge in den Medien veröffentlicht. Deshalb ist er bei uns ein erfolgloser Dokumentarfilmemacher, der auch im Mietshaus von Fiorilla lebt und dort auf engstem Raum interessantes szenisches Doku-Material dreht, das er schamlos für seine Interessen nutzt. Man fragt sich die ganze Zeit, was macht er am Ende mit dem Manipulationsapparat seiner live filmenden Kamera? Wofür setzt er ihn ein?
Was ist die Antwort?
Das möchte ich jetzt noch nicht verraten.
Diese Figur des Prosdocimo wird in der Sekundärliteratur über Il turco als die eigentliche Pointe des Stücks beschrieben. Denn durch die Einführung des Dichters schafft Rossini eine Selbstdistanz zu seiner eigenen Produktion und schaut sich gewissermassen selbst zu beim Verfertigen seiner Oper.
Heute nennen wir das Meta-Theater. Man thematisiert im Stück, was man selbst tut. Das ist natürlich seit Brecht und bis hin zu Theatermachern wie René Pollesch ein sehr angesagtes Verfahren. Aber wenn man nicht aufpasst, hat das Muster schnell etwas Ausgelutschtes. Ich fand es spannender, die Doppelperspektive in die Figuren selbst zu verlagern. Spiele ich meine Gefühle nur oder sind sie echt? Spiele ich für die Kamera oder meine ich es ernst?
Rossinis Buffa-Opern müssen komisch sein. Mit welchen Mitteln versuchst du das zu erreichen?
Indem ich, gemeinsam mit den Solisten, die Motivationen einer Situation möglichst präzise zu fassen versuche und die Szene dann auf die Spitze treibe. Das ist ja bei Rossini genau so angelegt – die Steigerungen, das Chaos in den Ensembles und Finali. Man muss sich von Rossinis Tempo anstecken lassen, Konfliktpotenziale verdichten, die Beziehungsknoten fester zuziehen und sich immer fragen: Wie könnte der Wahnsinn noch eine Drehung weiter geschraubt werden? Auch das Aufeinanderprallen der Kulturen macht viele Angebote. Er führt zum Beispiel zu Missverständnissen, und die können sehr komisch sein. Bei uns soll Komik auch aus der Enge erwachsen, in der die Figuren bei uns leben, und die das Bühnenbild von Ben wunderbar provoziert. Alles findet auf engstem Raum statt und man kann gleichzeitig in zwei Räume schauen, nämlich in die Welt der Alteingesessenen und in die des frisch eingezogenen Türken, Tür an Tür. Da lassen sich schön die Unterschiede, aber vor allem auch die Ähnlichkeiten herausarbeiten. Es taucht in manchen Momenten unweigerlich die Frage auf, ob sich Ausländer und Einheimische hinter geschlossenen Türen nicht viel ähnlicher sind als wir denken.
Das Gespräch führte Claus Spahn.
Foto von Heinrich Völkel.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 68, April 2019.
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Pressestimmen
«...und man weiss schon nach den ersten Minuten: Das wird ein guter Abend. Ein lustiger, kluger, hoch musikalischer. Ein böser auch, und ein liebevoller. Einer, nach dem man denkt: Besser lässt sich dieses Stück wohl nicht aufführen.»
Tages-Anzeiger vom 29. April 2019«Wenn Rossinis Komödie «Il turco in Italia» so gut besetzt, so detailgenau und flott inszeniert und dann noch mit einer schlüssigen Regie-Idee ins Heute geholt wird wie jetzt in Zürich, macht Oper richtig Spass.»
NZZ vom 29. April 2019«Von einem überwältigenden Glücksfall ist zu berichten – einer Inszenierung, die präziser, konziser, lustiger und intelligenter kaum sein könnte.»
Oper Aktuell vom 28. April 2019«Vielleicht sind Mazzola, Gloger und Rossini verwandte im Geiste. Denn alle drei verbindet die Kunst, virtuos lustvoll zu sein, sowie das Wissen darum, dass Oper oft dann am schönsten ist, wenn sie sich selbst nicht allzu ernst nimmt.»
Aargauer Zeitung vom 30. April 2019
Backstage
Das Bühnenbild zeigt nämlich vier verschiedene Wohnräume mit all dem realistischen Einrichtungskram, den wir aus unserem Lebensalltag kennen. Hier ein unaufgeräumtes Arbeitszimmer, dort eine Küchenzeile vor dem Abwasch. Um diese «Normalität», die das Publikum nur nebenbei wahrnimmt, einzurichten, brauchen unsere Requisiteurinnen und Requisiteure unendlich viel Geduld und eine 13 Seiten umfassende Liste. Während der Vorstellung arbeiten sie konstant zu dritt auf der Hinterbühne, um die Zimmer, die sich auf der Drehbühne gerade hinten befinden, zentimetergenau für die kommende Szene vorzubereiten. Der Plan hält fest, was sie vor der Vorstellung einkaufen müssen (Spaghetti, Baklava, Kokosmakronen), und wo die Objekte blitzschnell positioniert werden müssen (echter Zucker links auf die Küchenzeile, Weinflasche gefüllt, Rose vorne auf den Tisch, Tischtuch ordentlich!). Werden die Sachen nicht mehr gebraucht, müssen sie so sortiert und versorgt werden, dass bei der nächsten Vorstellung nichts fehlt. Puh!
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 105, September 2023. Dort ist auch der tatsächliche Plan zu sehen.
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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?
Dieser Artikel erschien im April 2019.
In den beiden Produktionen Il turco in Italia und Hippolyte et Aricie wird unsere Drehscheibe ausgiebig genutzt: Beide Bühnenbilder drehen sich um die eigene Achse, um dem Publikum viele verschiedene Perspektiven zu bieten. Doch wie funktioniert das eigentlich?
Unsere Drehscheibe ist eine mit Holz belegte, kreisrunde Stahlkonstruktion, die so in den Bühnenboden eingelassen ist, dass sie nur durch einen schmalen Spalt erkennbar ist. Die Stahlkonstruktion steht auf über hundert kreisrund angeordneten Kunststoffrädern, die auf blank polierten Fahrbahnen aus Blechstreifen rollen. Ausserhalb der kreisrunden Stahlkonstruktion der Scheibe liegen sich zwei im Bühnenboden versenkte Elektromotoren gegenüber, die je mittels einem Getriebe und einem Treibrad aus Gummi die Drehscheibe seitlich antreiben und bremsen können. Damit wir jederzeit wissen, auf welcher Position die Drehscheibe steht und wie schnell sie fährt, ist an der Drehachse in der Mitte ein Sensor angebracht, der auf hundertstel Grad genau die benötigten Daten liefert. Ebenfalls sind in dieser Achse elektrische Schleifkontakte untergebracht, die es uns ermöglichen, auf der Drehscheibe Strom für Scheinwerfer und sonstiges elektrisches Gerät zur Verfügung zu stellen.
Aufmerksame Leserinnen und Leser müssten sich nun eigentlich fragen, wie wir eine solche Drehscheibe auf der Bühne nutzen können, wenn wir doch für andere Vorstellungen wie z.B. Sweeney Todd oder Le Grand Macabre mit unseren Hubpodien grosse Teile der Bühne hoch und runter fahren können und noch dazu die Drehscheibe mal an der Bühnen-Vorderkante, aber auch mal weiter hinten zu sehen ist... Das Geheimnis liegt darin, dass die ganze eingelassene Scheibe mit dem darum liegenden Bühnenboden in einem fahrbaren Wagen untergebracht ist. Diesen Wagen nennen wir Drehscheibenwagen, und er ist genauso breit gebaut wie unsere Hubpodien. Mittels eines weiteren Elektromotors kann er vor und zurückbewegt werden. Wenn wir die Drehscheibe nicht benötigen, fahren wir mit dem Wagen ganz nach hinten, und die vorderen Podien gleichen das dadurch entstandene Loch wieder aus.
Da unsere Hinterbühne aber nur halb so gross ist wie der Durchmesser der Drehscheibe, haben sich die Theaterbauer 1980 etwas ganz Cleveres einfallen lassen: Sie teilten die Drehscheibe und den darunter liegenden Drehscheibenwagen in einen vorderen und einen hinteren Teil. Wenn der hintere Wagen bis zur Rückwand gefahren ist, löst die Bühnentechnik alle Verbindungsbolzen, die den vorderen mit dem hinteren Teil verbinden, und der hintere Teil wird mit den Podien abgesenkt. Anschliessend fährt der vordere Teil auf den hinteren Teil, und beide Teile übereinander gestapelt werden soweit abgesenkt, dass die Bühne wieder eine Ebene bildet. Die Genialität der Konstruktion wird dadurch vervollständigt, dass die Anschlüsse für Motoren, Sensoren sowie alle elektrischen Anschlüsse im vorderen Wagen untergebracht sind und die Zuleitungen dafür seitlich so geführt werden, dass sie beim Verschieben und Versenken der Drehscheibe nicht getrennt werden müssen.
Text von Sebastian Bogatu.
Illustration von Anita Allemann.
Dieser Artikel ist erschienen im MAG 68, April 2019.
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Il turco in Italia
Synopsis
Il turco in Italia
Erster Akt
Die Türkin Zaida ist in Italien auf der Suche nach ihrem früheren Geliebten Selim und kann ihn nicht finden. Sie wird begleitet von ihren türkischen Landsleuten, die sie aufmuntern wollen.
Der Künstler Prosdocimo will ein neues Werk schaffen, sucht aber bisher vergeblich nach einem geeigneten Thema. Zaida erzählt Prosdocimo von ihrer früheren Beziehung: Selim habe sie heiraten wollen. Aber dann hätten andere ihm eingeredet, sie, Zaida, sei untreu. Die Eifersucht habe Selim rasend gemacht.
Geronio hat Eheprobleme. Von einer Wahrsagerin will er sich erklären lassen, was im Kopf seiner Ehefrau Fiorilla vor sich geht. Dabei gerät er an Zaida.
Fiorilla findet ihren Ehealltag langweilig und beklagt, dass man, wenn man verheiratet ist, nur einen Menschen lieben darf.
Der Türke Selim kommt in Italien an und freut sich auf ein neues Leben in einer anderen Welt. Er begegnet Fiorilla. Die beiden flirten heftig.
Narciso ist ein schwer verliebter Verehrer Fiorillas. Auch er begeistert sich für Fiorillas Schönheit, ist aber gleichzeitig verzweifelt, weil sie ihm die kalte Schulter zeigt.
Geronio stürzt aufgeregt zu Narciso und Prosdocimo, weil er seine Ehefrau mit einem Türken gesehen hat. Prosdocimo kapiert, dass der Türke der gleiche Mann ist, den Zaida sucht, und wittert eine konfliktreiche und emotionsgeladene Geschichte für seine neue künstlerische Arbeit. Die drei Männer geraten in einen Streit, weil sich Geronio und Narciso von Prosdocimo verhöhnt fühlen.
Fiorilla hat Selim zum Kaffee eingeladen. Sie traut ihm nicht, weil sie glaubt, türkische Männer hätten hundert Frauen gleichzeitig. Geronio stört die traute Zweisamkeit. Die Männer drohen aneinander zu geraten, aber Fiorilla schlichtet, indem sie behauptet, ihr Mann sei lediglich gekommen, um dem Gast die Ehre zu erweisen. Aus Angst vor dem Ausländer küsst Geronio dessen Mantel. Narciso hat die Demütigung beobachtet und fordert Geronio auf, sich einen solchen Umgang nicht gefallen zu lassen.
Geronio stellt Fiorilla zu Rede. Es entwickelt sich ein Ehestreit mit Schuldzuweisungen, Versöhnungsangeboten und Drohungen. Er endet mit der Ankündigung Fiorillas, sich in Zukunft tausend Liebhaber zu nehmen, denn das sei die einzige Sprache, die die Männer verstünden.
Zaida hat sich als Wahrsagerin verkleidet und trifft auf Selim. Er erkennt sie.
Fiorilla und Selim wollen heimlich verreisen. Zaida hat die beiden eifersüchtig beobachtet und macht ihren Anspruch auf Selim geltend. Zaida und Fiorilla gehen aufeinander los. Alle mischen sich in den Streit ein. Das Chaos ist perfekt, und Prosdocimo hat seinen Spass daran.
Zweiter Akt
Geronio schüttet sein Herz bei Prosdocimo aus. Der tröstet ihn, hofft aber insgeheim auf weitere Eskalationen. Plötzlich erscheint Selim und schlägt Geronio vor, ihm Fiorilla nach türkischem Brauch abzukaufen. Daraufhin droht Geronio Selim an, ihm nach italienischem Brauch die Nase einzuschlagen. Selim kündigt an, Fiorilla zu entführen. Die beiden Männer werden immer wütender.
Fiorilla hat eine Begegnung mit Selim und Zaida arrangiert. Selim soll sich zwischen den beiden Frauen entscheiden. Aber er ist überfordert. Nachdem Zaida empört gegangen ist, kommen sich Fiorilla und Selim wieder näher. Sie verzeihen einander. Er erklärt ihr seine ewige Liebe. Sie glaubt ihm.
Prosdocimo erzählt Geronio von der geplanten Entführung seiner Ehefrau, die während eines Festes stattfinden soll. Er schlägt Geronio vor, als Türke verkleidet dort zu erscheinen. Ausserdem hat er Zaida von den Entführungsplänen erzählt: Als Fiorilla verkleidet wird sie ebenfalls zu dem Fest kommen. Auch Narciso, der alles mitgehört hat, will als Türke zum Fest gehen.
Auf dem Fest lösen die doppelgängerischen Türken und die zwei Fiorillas grosse Verwirrung aus. Geronio erkennt seine eigene Ehefrau nicht mehr und lässt das Fest in einem Eklat enden.
Prosdocimo rät Geronio, seiner Ehefrau in Form eines Briefes mit der Trennung zu drohen, um sie so wieder zurückzugewinnen. Die beiden erfahren vom Türken Albazar, dass sich Selim wieder mit Zaida versöhnt hat.
Fiorilla liest in dem Brief, dass Geronio nichts mehr mit ihr zu tun haben will und sie zurück zu ihren Eltern gehen soll, nach Sorrent, in die Armut ihrer Kindheit. Sie beklagt ihr Schicksal und bereut, ihre Ehe ruiniert zu haben.
Geronio beobachtet ihr Leiden und ist bereit, ihr zu verzeihen. Es kommt zur Versöhnung.
Die beiden Paare begegnen sich noch einmal, aber Fiorilla bleibt bei Geronio und Selim bei Zaida.