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Il mondo della luna

Dramma giocoso in drei Akten von Joseph Haydn (1732-1809)
Libretto nach Carlo Goldoni

In italienischer Sprache mit deutscher Übertitelung. Dauer 2 Std. 20 Min. inkl. Pause nach ca. 55 Min.

Gut zu wissen

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Trailer «Il mondo della luna»

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Hintergrund


Trugbild vom Hippieglück

In Joseph Haydns Oper «Il mondo della luna» wird einem betagten Herrn ein Besuch auf dem Mond vorgegaukelt. In der Neuproduktion, die das Internationale Opernstudio gerade für das Theater Winterthur erarbeitet, geht die Reise zurück in die 60er-Jahre zu Flower Power und freier Liebe.

Liegt es daran, dass die Pandemiemassnahmen endlich aufgehoben sind? Liegt es an der heiter verspielten Partitur von Joseph Haydn, die auf dem Pult liegt? Oder daran, dass die Sängerinnen und Sänger, die hier zusammenkommen, quasi eine grosse Familie bilden? Die Lust, eine Oper auf die Bühne zu bringen, kennt auf dieser Probe des Internationalen Opernstudios jedenfalls keine Grenzen: es wird gemeinsam diskutiert, ungeniert probiert und mit vollem Stimmeinsatz gesungen. Geprobt wird Joseph Haydns Oper Il mondo della luna, die diesjährige Eigenproduktion des Internationalen Opernstudios, die Anfang Mai am Theater Winterthur auf die Bühne kommt. In dieser renommierten Ausbildungsstätte am Opernhaus Zürich kommen junge, talentierte Sängerinnen und Sänger aus aller Welt zusammen. Hier haben sie während zwei Jahren die Möglichkeit, ihre Stimme und ihre darstellerischen Fähigkeiten in einem intensiven Programm weiterzuentwickeln. Workshops mit erfahrenen Sängerinnen und Regisseuren gehören dazu sowie Auftritte auf der Opernbühne in kleineren Partien und die jährliche Opernproduktion in Winterthur.

Der französische Dirigent Joseph Bastian leitet die Proben dieser Haydn­-Oper. Der ehemalige Posaunist hat seine Stelle im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks aufgegeben und widmet sich seit einigen Jahren seiner Dirigentenkarriere. Als Zuzüger hat er oft im Orchester der Bayerischen Staatsoper gespielt. Seine Posaunen­-Karriere hat er ausserdem in Bayreuth mit einer Vorstellung der Götterdämmerung beendet. Diese Opernerfahrung ist dem jungen Dirigenten anzumerken. Er ist immer bemüht, eng mit dem Regisseur Tomo Sugao zusammenzuarbeiten. Szene und Musik müssen in einer Haydn­-Oper Hand in Hand gehen, das ist den beiden wichtig.

In der heutigen Probe ist der Dirigent aber beurlaubt, und das sehen die Pianistinnen und Pianisten, die ebenfalls Teil des Internationalen Opernstudios sind und hier lernen, wie man mit Sängerinnen und Sängern Partien einstudiert, als Chance: Der Spanier Fernando Martín­-Peñasco setzt sich ans Klavier, die ukrainische Pianistin Alina Shevchenko nimmt den Platz des abwesenden Dirigenten ein und gibt von hier aus Einsätze. Nach einer ersten Tenor­-Arie stellt sie fest, es sei «gar nicht so einfach, dem Sänger zu folgen». «Du musst ihm nicht folgen,» sagt Fernando am Klavier, «du bist die Dirigentin. Er muss zu dir schauen, bevor er singt.» Belehrend wirkt das nicht, sondern eher kollegial, unterstützend, gemeinsam suchend. Schliesslich haben alle Mitglieder des Internationalen Opernstudios am Ende das gleiche Ziel, nämlich möglichst viel Erfahrung aus dieser praktischen Schule für ihr späteres Leben im Theaterbetrieb mitzunehmen. International ist im Fall dieses Projekts übrigens keineswegs übertrieben: neben den bereits erwähnten Nationen kommen die beteiligten Opernstudio-­Mitglieder aus Mexiko, Venezuela, China, Russland, Südafrika, Polen und der Schweiz. Alle fünf Kontinente sind vertreten. Der Regisseur Tomo Sugao stammt aus Japan. Auf seinem Regiepult liegt der Klavierauszug einer Oper aus dem 18. Jahrhundert. Laut dem Titel geht es um «Die Welt des Mondes», die Figuren haben altmodisch anmutende italienische Namen: Bonafede etwa, auf deutsch «der Gutgläubige», oder Ecclitico, eine offensichtliche Anspielung auf die Mondfinsternis, die Eklipse. Was ist das für ein Stoff, und was hat Joseph Haydn dazu bewogen, ihn zu vertonen?

Haydn ist bekanntlich einer der grossen klassischen Sinfoniker neben Mozart und Beethoven. Dass er als Kapellmeister der ungarischen Familie Esterházy, in deren Diensten er fast dreissig Jahre lang stand, auch für die Aufführungen von Opern verantwortlich war – und diese Aufgabe wohl als seinen Hauptberuf verstanden hat – ist hingegen weniger bekannt. Allein die Tatsache, dass Haydn seine Tätigkeit als Opernkapellmeister nicht öffentlich in einer grossen Metropole, sondern exklusiv in den Residenzen der Esterházys ausübte, führte dazu, dass dieser Teil seines Schaffens weniger wahrgenommen wurde und oft unterschätzt wird. Haydn war von 1776 bis 1790 offiziell als Opernkapellmeister angestellt und dirigierte in etwa 1’200 Vorstellungen über 80 verschiedene Opernpartituren. Selber komponierte er insgesamt 20 Bühnenwerke. Il mondo della luna wurde 1777 anlässlich einer Hochzeit auf Schloss Esterháza aufgeführt. Das Libretto des italienischen Komödiendichters und Librettisten Carlo Goldoni war damals nicht neu. Bereits 1750, im Jahr seiner Entstehung, wurde es in Venedig von Baldassare Galuppi vertont, weitere Kompositionen u.a. für Rom und Neapel folgten. Für den privaten Rahmen einer Hochzeit bei den Esterházys war die Novität des Stoffes aber nicht das wichtigste Kriterium: Entscheidend war ein Stoff, der möglichst effekt­ und fantasievoll auf die Bühne gebracht werden konnte. Und was würde diesen Zweck besser erfüllen als eine mit den Mitteln des Theaters erzählte Reise zum Mond?

Mondreisen waren in der Literatur bereits im 17. Jahrhundert ein beliebtes Thema, so erschien beispielsweise 1638 postum der Roman The Man in the Moon des englischen Schriftstellers Francis Godwin, in dem ein Mensch mithilfe einer von Gänsen gezogenen Flugmaschine zum Mond reist. Zu den Vorläufern der Science­-Fiction­-Literatur zählt auch die Reise zum Mond des französischen Schriftstellers Cyrano de Bergerac, die Goldonis Libretto direkt beeinflusste. Und auch der Aufklärer Fontenelle beschäftigte sich in seinen Dialogen über die Mehrheit der Welten (1686) spekulativ mit dem Leben auf dem Mond. Das philosophische und naturwissenschaftliche Interesse am Erdtrabanten rückt bei Goldoni und Haydn jedoch in den Hintergrund. Entscheidend ist für das Theater vor allem, dass die Mondwelt einen plakativen Gegenentwurf zum gewohnten Leben auf der Erde darstellt.

Im Mittelpunkt der Handlung von Il mondo della luna steht Bonafede, ein reicher Alter, der zwei Töchter hat, die er möglichst lukrativ verheiraten will. Der gewitzte «falsche Astrologe» Ecclitico hat es auf Bonafedes Geld und auf dessen Tochter Clarice abgesehen. Er verbündet sich mit Ernesto und dessen Diener Cecco, die ihrerseits Bonafedes andere Tochter, Flaminia und seine Zofe Lisetta für sich gewinnen wollen. Unter der Wirkung eines Elixiers wird Bonafede von ihnen in den eigenen Garten geführt, der in eine fantastische Mondlandschaft verwandelt wurde. Bonafede erlebt dort den Auftritt des Mondkaisers – der von Cecco gespielt wird – und muss zusehen, wie seine beiden Töchter und Lisetta, die er selbst begehrt, verheiratet werden. Erst als das Spiel mit den Worten «Finita è la commedia» beendet wird, erkennt Bonafede, dass er von allen betrogen wurde.

Für den Regisseur Tomo Sugao, den Bühnenbildner Paul Zoller und die Kostümbildnerin Michaela Barth war schnell klar, dass eine grautönige Mondkrater-­Landschaft keine attraktive Umgebung für diese Komödie sein würde. Dem Team war es wichtig, die Geschichte in unserer Gegenwart beginnen zu lassen, um von hier aus in eine stark kontrastierende Fantasiewelt zu gelangen.

Auf der Probebühne steht nun ein Raum in klinischem Weiss, in dem auf ebenso weissen Stühlen und Sesseln nicht nur Sängerinnen und Sänger des Internationalen Opernstudios, sondern auch ältere Mitglieder des Statistenvereins zu sehen sind. Bonafede schiebt zu Beginn der Inszenierung einen Rollator vor sich her. Sie spielt dort, wo der Alte heute vermutlich anzutreffen wäre: im Pflegeheim für Betagte. Bonafedes Töchter gehen hier ein und aus, wenn sie ihren Vater besuchen. Ecclitico ist ein umtriebiger Pfleger mit Zugang zum Medikamentenschrank. Auch Ernesto, Cecco und Lisetta arbeiten im Pflegeheim. Nur ein runder Himmelskörper in Globus­-Form erinnert daran, dass es in diesem Stück eigentlich um den Mond gehen soll. Statt auf den Mond wird Bonafede im zweiten Akt dieser Inszenierung zurück in seine Jugend geführt – und diese Interpretation ist nicht einmal weit hergeholt, denn in den 60er­-Jahren, die hier als Gegenwelt heraufbeschworen werden, landete Neil Armstrong bekanntlich erstmals auf dem wirklichen Mond. Viel wichtiger ist aber, dass sowohl Bonafede als auch die drei jungen Paare in dieser Oper eine Welt der freien Liebe herbeisehnen – Bonafede, weil er gerne frei über alle Frauen verfügen will, und die jungen Menschen, weil sie ohne fremden Zwang entscheiden wollen, wen sie lieben. Die Handlung der Oper, in der ursprünglich auch das im 18. Jahrhundert brisante Thema der Vernunftheirat kritisiert wird, lässt sich also leicht in die Jahre der Hippie-­Bewegung übertragen, in der die Ehe erneut stark hinterfragt wurde. Rund um die Probebühne verteilt, liegen deshalb schon haufenweise bunte Batik­-Tücher, Regenbogengirlanden, und Glitter bereit, die Bonafedes Pflegeheim in die Welt seiner Jugend verwandeln sollen. Das Pflegepersonal wird ihm in diesen Szenen im Hippie­, Guru­ und Rockabilly­-Look begegnen und für einmal lustvoll die geltenden Hierarchien umdrehen.

Aktuell wird aber noch der erste Akt im Pflegeheim geprobt. Tomo Sugao steckt mit den Sängern und Sängerinnen tief in Diskussionen über die Rollenbilder, die genau erkundet werden wollen: Ist für Flaminia jetzt eigentlich die Liebe oder die Vernunft die wichtigere Instanz? Und will Clarice tatsächlich um jeden Preis heiraten? Und Bonafede? Findet er es wirklich gut, wenn Frauen von ihren Männern betrogen und geschlagen werden? Carlo Goldoni, der auch in seiner berühmtesten Komödie Mirandolina eine starke Frauenfigur geschaffen hat, steht jedenfalls auch in diesem Stück auf der Seite der Frauen und der jungen Generation: Am Ende muss sich Bonafede geschlagen geben. Während der Regisseur mit einem Sänger über seine Partie spricht, wird es rund ums Klavier allmählich unruhig. Statt Haydn erklingt jetzt plötzlich die Bohemian Rhapsody, und bald singt das halbe Ensemble lautstark bei diesem Queen-­Song mit. Der Regisseur lacht über diese Unterbrechung und findet diesen jugendlichen Überschwang gut. Wenn der Dirigent zurück ist und diese Energien gebündelt in Haydns Oper fliessen, wird es dieser sicher nicht an Leidenschaft fehlen.

Dieser Artikel ist erschienen in MAG 92, April 2022.
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Fragebogen


Chelsea Zurflüh

Chelsea Zurflüh studierte Gesang an der Luzerner Musikhochschule sowie an der Hochschule der Künste Bern am Schweizer Opernstudio Biel. Am Konzert Theater Bern hat sie Adele («Die Fledermaus») gesungen. Am Opernhaus Zürich war sie zuletzt als Zaida («Il turco in Italia») zu hören. In «Il mondo della luna» singt sie Clarice.

Aus welcher Welt kommen Sie gerade?
Heute hatte ich einen freien Tag und habe ausnahmsweise mal keine Musik gemacht. Ich bin bei meiner Familie in Pieterlen, das ist in der Nähe von Biel, und habe hier gemeinsam mit meinem Bruder das Badezimmer im Elternhaus renoviert. Es ist eine gute Abwechslung, sich handwerklich zu betätigen und dann das Ergebnis zu sehen! Seit ich in Zürich lebe, komme ich gerne immer wieder hierhin zurück.

Auf was freuen Sie sich in der Haydn-Oper Il mondo della luna besonders?
Das ist meine erste Opernproduktion, in der ich ausschliesslich mit meinen Kolleginnen und Kollegen des Opernstudios auf der Bühne stehe. Mit ihnen macht diese Arbeit viel Spass! Es ist aber auch eine wirkliche Herausforderung, Szene und Musik stimmig, logisch und präzise zusammenzubringen. Ich freue mich besonders darüber, diesen ganzen Prozess vom ersten Probentag über die erste Probe im richtigen Kostüm, bis zur Premiere erleben zu dürfen.

Wer ist Clarice?
Clarice ist eine der drei weiblichen Partien in Haydns Il mondo della luna. Wir haben gerade in den Proben herausgefunden, oder nehmen es zumindest an, dass sie die jüngere Tochter von Bonafede ist. Der Vater will Clarice und ihre Schwester Flaminia möglichst reich verheiraten, hat bisher aber keine Männer gefunden, die sich dafür eignen. Clarice stellt sich stärker als ihre Schwester gegen den Vater und will sich von ihm befreien. Das zeigt sich in unserer Inszenierung auch an dem strengen, braven Kostüm, in dem ich zunächst stecke. Aus diesen Zwängen will Clarice ausbrechen.

Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt?
Ein besonders wichtiges und schönes Erlebnis war für mich das Bachelor-­Projekt an der Luzerner Hochschule. Zusammen mit einer Kollegin habe ich entschieden, Webers Freischütz auf die Bühne zu bringen. Im Rahmen eines Bachelor­-Projekts war das ein sehr aufwändiges Vorhaben: Wir haben Spenden eingeholt, die Oper eingerichtet, Sänger und Orchester zusammengebracht, die Aufführungen in Luzern, Biel und St. Gallen organisiert und schliesslich noch Ännchen und Agathe gesungen! Am Ende waren wir selber erstaunt, dass wir das alles gestemmt haben.

Welches Buch würden Sie niemals aus der Hand geben?
Ich lese gerade Circe von Madeline Miller, ein Buch, das mir sehr gut gefällt. Es dreht sich um die mythologische Figur der Kirke, die ich unlängst in der Familienoper Die Odyssee auch am Opernhaus verkörpert habe.

Welche CD hören Sie immer wieder?
Das erste Mozart­-Album von Regula Mühlemann. Sie hat in Luzern bei Barbara Locher studiert, wie ich. Ihre Stimme fasziniert mich jedesmal aufs Neue.

Mit wem würden Sie gerne einmal essen gehen?
Mit der amerikanischen Sopranistin Lisette Oropesa, deren Stimme ich eben falls sehr bewundere. Vielleicht er­gibt sich diese Chance ja, wenn sie im Mai hier Lucia di Lammermoor singt...

Woran merkt man, dass Sie Schweizerin sind?
Ich bin nicht immer pünktlich, aber ordentlich!

Dieser Artikel ist erschienen in MAG 92, April 2022.
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