Impulse
Das Junior Ballett präsentiert Choreografien von Bryan Arias, Craig Davidson und Juliano Nunes
Dauer ca. 2 Std. inkl. Pausen nach dem 1. Teil nach ca. 25 Min. und nach dem 2. Teil nach ca. 1 Std. 20 Min.
Gut zu wissen
Das Junior Ballett feiert sein 20-jähriges Bestehen. Wir werfen einen Blick zurück.
Gespräch
Auf Augenhöhe mit der Kunst
Für das Junior Ballett bewerben sich junge Tänzerinnen und Tänzer aus der ganzen Welt. In Zürich werden sie nicht im Corps de Ballet versteckt, sondern als Künstlerpersönlichkeiten ernst genommen und gefördert. Ein Gespräch mit Christian Spuck über den richtigen Umgang mit der Jugend, die die Zukunft des Tanzes verkörpert
Christian, im Oktober 2021 feiern wir das zwanzigjährige Jubiläum des Junior Balletts. Am 13. November 2001 ist es im westfälischen Neuss zum ersten Mal aufgetreten, damals wurden noch die «Junior Members des Zürcher Balletts» angekündigt. Was bedeutete es, eine Junior Company in Zürich zu gründen?
Für Zürich war das eine wichtige Neuerung und ein grosser Fortschritt. Bereits 1978 hatte man beim Nederlands Dans Theater in Den Haag mit dem NDT2 eine Formation für junge Tänzerinnen und Tänzer ins Leben gerufen, die schon bald eine grosse internationale Strahlkraft entfaltet hat. Heinz Spoerli ist diesem Beispiel gefolgt, und mittlerweile haben die meisten grossen Ballettcompagnien entweder ein eigenes Juniorensemble oder schliessen sich direkt mit den renommierten Ballettschulen zusammen, um ihren Absolventen den Einstieg in den professionellen Ballettalltag zu erleichtern.
Wie hat sich das Profil des Junior Balletts seit damals verändert?
Das Ziel war und ist es, Absolventen der Ballettschulen einen fliessenden Übergang von der Ausbildung in den tänzerischen Betrieb zu ermöglichen. Aber ohne Frage sind die jungen Tänzerinnen und Tänzer auch eine personelle Bereicherung für grosse Tanzproduktionen. Gestartet ist man 2001 mit sieben Tänzerinnen und Tänzern, heute verfügen wir über vierzehn Positionen, die leicht variabel sind. Zur Zeit hat das Junior Ballett fünfzehn Mitglieder aus zehn Ländern.
Was macht das Junior Ballett Zürich für diese jungen Frauen und Männer aus der ganzen Welt so attraktiv?
Die Nachfrage nach Plätzen im Junior Ballett ist sehr gross und keineswegs auf Europa beschränkt. Immer wieder erhalten wir Bewerbungen aus den USA, Australien und Südamerika. Viele Direktoren internationaler Ballettschulen schreiben mich inzwischen direkt an, um mir besonders talentierte Absolventinnen und Absolventen zu empfehlen. Unser Interesse ist es natürlich, das Junior Ballett genau wie das Ballett Zürich technisch und künstlerisch auf höchstem Niveau zu halten. Die Mitglieder des Junior Balletts tanzen und trainieren gemeinsam mit der Hauptcompagnie und treten mit ihr in vielen Vorstellungen auf. Der kreative Aspekt ist, glaube ich, sehr wichtig. Dass das Junior Ballett in seinen eigenen Ballettabenden, die alle zwei Jahre entstehen, mit renommierten Choreografen zusammenarbeitet, macht es genau wie der vielfältige Zürcher Ballett-Spielplan für junge Tänzerinnen und Tänzer sehr attraktiv. Der Umstand, dass das Ballett Zürich eine relativ kleine Compagnie ist, versetzt uns in die Lage, die Junioren auch an den grossen Produktionen des Balletts Zürich zu beteiligen. Sie agieren also nicht irgendwo im Verborgenen, sondern stehen genauso im Fokus wie die Mitglieder des Balletts Zürich. Mittlerweile greifen viele Choreografen, die mit uns arbeiten, bei der Besetzung ihrer Stücke sehr oft auf Tänzerinnen und Tänzer aus dem Junior Ballett zurück. Das ist eine schöne Anerkennung ihrer künstlerischen Qualität.
Das Junior Ballett ist eine Talentschmiede. Wie läuft der Aufnahmeprozess ab?
Am Beginn meiner Direktionszeit haben wir mehrtägige Auditions durchgeführt, bei denen wir jedes Mal buchstäblich überrannt wurden. Inzwischen sind wir zu digitalen Bewerbungen übergegangen. Nach der Sichtung laden wir die vielversprechendsten Tänzerinnen und Tänzer nach Zürich ein, die dann nach Möglichkeit ein bis zwei Tage gemeinsam mit unserer Compagnie trainieren. In dieser Zeit gewinnt man dann meist ein recht verlässliches Bild von der Eignung der Bewerberinnen und Bewerber.
Wie sieht der Arbeitsalltag des Junior Balletts aus?
Der Alltag der jungen Tänzerinnen und Tänzer ist sehr an der Praxis orientiert. Neben ihren eigenen Produktionen sind sie Teil fast aller Choreografien unseres Spielplans. Das ermöglicht es, die grossen Stücke in wechselnden Besetzungen zu präsentieren. Dennoch haben unsere Ballettmeister ein besonderes Augenmerk auf die Junioren. Ein- bis zweimal pro Woche trainiert das Junior Ballett für sich. Bei vierzehn bis fünfzehn Tänzern können die Ballettmeister gezielter auf individuelle Probleme eingehen, können besser und schneller korrigieren. Ansonsten ist das Junior Ballett aber komplett in den normalen Arbeitsalltag des Balletts Zürich integriert.
Wie wirkt sich das auf das Arbeitsklima in den beiden Compagnien aus? Wie geht man miteinander um?
Ich merke im täglichen Umgang eigentlich nicht, dass es sich um zwei Compagnien handelt. Man begegnet sich auf Augenhöhe und mit sehr viel Respekt. Es rührt mich, wie die gestandenen Tänzer die Junioren unter ihre Fittiche nehmen, sie fördern und unterstützen. Bei den Junioren entsteht ein sehr hohes Verantwortungsbewusstsein für das grosse Ganze. Sie merken, dass sie gefordert sind und auf höchstem professionellem Niveau arbeiten müssen. Man spürt jederzeit ihre grosse Motivation. Natürlich muss man ihnen genügend Zeit geben, die gestellten Anforderungen zu erfüllen. Am Anfang gehören sie vielleicht erst einmal zur B-Besetzung oder agieren als Cover.
Seitdem du 2012 die Leitung des Balletts Zürich übernommen hast, sind fünf mehrteilige Junior-Abende entstanden, die zum grossen Teil im Theater Winterthur kreiert und dann auch auf der Bühne des Opernhauses Zürich und bei verschiedenen Gastspielen gezeigt wurden. Was waren deine programmatischen Leitlinien für diese Abende?
Mir ist besonders wichtig, dass die jungen Tänzerinnen und Tänzer mit vielen Choreografen arbeiten und unterschiedlichste künstlerische Handschriften kennenlernen. Auf diese Weise durchlaufen sie bereits eine kreative Schule, bevor sie wirklich in den Alltag einer Berufscompagnie einsteigen. Diese jungen Künstlerinnen und Künstler verdienen es einfach, auch am Anfang ihrer Karriere ernst genommen und nicht als versteckte Corps de ballet-Mitglieder behandelt zu werden. Jeder neue Junior-Abend enthält mindestens eine Uraufführung, in deren Vorbereitung sich die Tänzerinnen und Tänzer der kreativen Arbeit mit einem Choreografen stellen müssen. Dazu kommen Einstudierungen von geeigneten Stücken namhafter Choreografen.
Inwieweit sind diese Programme eigens auf junge Tänzerinnen und Tänzer zugeschnitten? Macht man da Zugeständnisse, was den tänzerischen Anspruch oder auch die Thematik der Stücke angeht?
Überhaupt nicht, das fände ich auch absolut falsch. Man muss die Tänzer immer aufs Neue herausfordern. Das Ziel besteht darin, einen Abend zu kreieren, der für das Publikum genauso spannend ist wie für die Tänzer, die ihn tanzen. Die Choreografen haben übrigens längst erkannt, wie viel künstlerisches Potenzial im Junior Ballett schlummert. Einige fragen direkt nach der Möglichkeit, mit den Junioren zusammenzuarbeiten, weil der Lernprozess natürlich auch in der umgekehrten Richtung verläuft und die jungen Leute uns mit ihren besonderen Fähigkeiten immer wieder überraschen.
Die Mitgliedschaft im Junior Ballett ist zeitlich befristet. Wie geht es danach für die jungen Leute weiter? Nicht alle kannst du wahrscheinlich direkt ins Ballett Zürich übernehmen…
Die Mitgliedschaft ist zunächst auf ein Jahr begrenzt, allerdings mit der Möglichkeit, sie um eine weitere Saison zu verlängern. Das hat sich in den meisten Fällen bewährt, weil man erst im zweiten Jahr wirklich ermessen kann, wie die künstlerische Entwicklung eines Tänzers oder einer Tänzerin vorangeschritten ist. Bei Vakanzen in der Hauptcompagnie besetze ich diese Positionen gern mit Absolventen aus dem Junior Ballett. Der Vorteil ist, dass ich die Künstler kenne und sie mit unserem Repertoire vertraut sind. Das vereinfacht vieles. Aber es stimmt schon, nicht alle kann man übernehmen. In diesen Fällen versuchen wir dann aber, beim Finden von Nachfolge-Engagements so gut es geht, behilflich zu sein. Das ist uns bis jetzt auch in den allermeisten Fällen gelungen. Die Mitgliedschaft im Junior Ballett ist für den weiteren Verlauf einer Tänzerkarriere eine sehr gute Referenz.
Wie werden wir das Jubiläum des Junior Balletts feiern?
Ich freue mich, dass wir den Abend Impulse im Oktober in zwei Vorstellungen noch einmal einem grösseren Publikum präsentieren können. Er war bis jetzt nur als Streaming aus dem Theater Winterthur und vor einem sehr reduzierten Publikum in Zürich zu erleben. Im Ballettgespräch am 17. Oktober werden wir uns ausserdem ganz dem Junior Ballett widmen. Wir lassen die Geschichte des Junior Balletts Revue passieren, und offenbar werden gerade auch ein paar Überraschungen vorbereitet…
Der Ballettabend Impulse mit neuen Choreografien von Craig Davidson, Bryan Arias und Juliano Nunes ist unter schwierigsten Bedingungen während der Corona-Pandemie entstanden. Einer Zeit, in der die Tänzer ganz auf sich selbst zurückgeworfen waren. Was hat das mit dem Junior Ballett gemacht?
Das Wunderbare ist, dass man dem Abend die Schwierigkeiten seiner Entstehung überhaupt nicht anmerkt. Das Junior Ballett war in dieser Zeit von der Hauptcompagnie getrennt, es musste als eigenständiges Kollektiv zusammenarbeiten. Die Tänzerinnen und Tänzer sind in dieser Zeit als Gruppe unglaublich zusammengewachsen. Alle Widerstände haben sie als eine Art Familie zusammengeschweisst. Sie wohnen ja zum Teil auch zusammen und verbringen ihren Alltag miteinander. Es berührt mich immer wieder zu sehen, wie sie in kürzester Zeit aufeinander achtgeben, sich unterstützen und gegenseitig Zuspruch schenken.
Das Gespräch führte Michael Küster.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 85, Oktober 2021.
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«These young dancers have the technique to handle the very demanding choreography while never letting skill overwhelm artistry and personal warmth.» Seeing Dance zu Impulse am 7. März 2021
«Verschmelzende Körper, vor Begeisterung strahlende Augen, Eleganz bis in die Fingerspitzen: Das Publikum zu Hause ist hautnah dabei und bekommt immer die schönsten Perspektiven auf den Bildschirm geliefert.»
Der Landbote zu Impulse am 3. März 2021